Letzte Woche lasen wir im Frauenkreis die bekannte Geschichte von der Tochter des Jairus und der Frau, die unter ständigem Blutfluss litt. (Markus 5,21-43)


Ich weiß nicht, wie du die Bibel und besonders auch solche Geschichten liest, die du gefühlt schon 1000 Mal gelesen oder gehört hast. Die Versuchung ist groß, darüber zu lesen und zu denken: Ja, kenne ich. Ich weiß, was passiert und kenne auch eine gute Anwendung und Lektion daraus. So könnte es mir gehen. Vielleicht auch dir?


Ich habe mir angewöhnt, Gott zu bitten, neu zu mir zu sprechen, wenn ich gerade solche Texte lese (natürlich gilt das auch für alle anderen Texte). Gott will immer wieder neu zu uns sprechen durch sein Wort. Er will sein Wort immer lebendig werden lassen in unserem Herzen. Er will es immer tiefer in uns einpflanzen.
Ich betete, bevor wir den Text begannen zu lesen. Und tatsächlich ist mir eine Sache das erste Mal aufgefallen.


Wir lesen von Jesus, wie er umringt ist von einer Menschenmenge. Und dann passiert das:


Da kam einer von den Vorstehern der Synagoge, mit Namen Jaïrus. Und als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und bat ihn sehr und sprach: Meine Tochter liegt in den letzten Zügen; komm und lege ihr die Hände auf, dass sie gesund werde und lebe. (Markus 5,22-23)


Jairus ist ein hoch gestellter Jude mit Verantwortung. So schön zu lesen, dass auch so einer mal zu Jesus Füßen anzutreffen ist. Er hat ein großes Anliegen. Voller Verzweiflung hat er sich auf den Weg gemacht, mit Mühe und Not hat er sich den Weg zu Jesus freigekämpft. Voller innerer Not wirft er sich vor Jesus nieder und sagt ihm kurz und knapp, was ihn bewegt. In kurzen Worten klagt er ihm das Leid, das ihn als Vater sicher schon seit einiger Zeit das Herz zerreißt: Seine Tochter ist unheilbar krank. Sie liegt im Sterben. Nichts und niemand kann mehr helfen. Jeder Atemzug könnte der letzte sein. Komm schnell!


Und dann fällt mir etwas auf: Er sagt Jesus genau, was er tun soll: Komm und lege ihr die Hände auf, dass sie gesund werde und lebe.
Interessant, dachte ich mir. Er hatte eine klare Vorstellung davon, was Jesus zu tun hat. Er muss dort sein und er muss ihr die Hände auflegen.


Ich erinnerte mich an andere Begebenheiten, in denen Jesus aus der Ferne heilte und Menschen sagen: Nur ein Wort von dir und mein Diener wird gesund.


Hier ist ein verzweifelter Vater, der begriffen hat, dass Jesus seine letzte Hoffnung ist, weil seine Tochter in den letzten Zügen liegt. Er rennt zu ihm und sagt dem Sohn Gottes, dem Allmächtigen, was er zu tun hat, damit seine Tochter gesund wird.
Da ist Glaube, ja, aber nach seiner eigenen Vorstellung muss er funktionieren.


Jesus geht mit ihm. Er zögert nicht. Er folgt dem Hilferuf.


Immer noch sind viele Menschen um ihn, es ist ein Gedränge wie beim Einlass zu einem Fußballspiel. Eine Frau ist da nun, die ihre eigene Verzweiflung zu Jesus trägt. Auch sie weiß in ihrem Denken, was sie zu tun hat, damit Heilung passiert:


Wenn ich nur seine Kleider berühre, so werde ich gesund.


Und tatsächlich. Sie ist sofort geheilt. Jesus spürt das und sucht die Frau und findet sie. Sie schüttet ängstlich ihr Herz aus und geht mit Frieden und Glauben von Jesus weg.


Währenddessen kommen Leute vom Haus des Jairus und sagen zu ihm:


Deine Tochter ist gestorben; was bemühst du weiter den Meister?


Es ist zu spät. Wie ein Schock muss es in seine Glieder gefahren sein. Was müssen diese Worte in ihm ausgelöst haben? Nicht vorzustellen. Nicht für jemanden, der noch nie die Nachricht bekommen hat: "Sie haben ihr Kind verloren. Es tut uns leid."


Sicher kriecht innerhalb kürzester Zeit ein Gefühl der Lähmung in ihn. Vielleicht auch ein Gefühl des Ärgers, der Enttäuschung: Wir waren nicht schnell genug. Es ist zu spät. Wären wir doch da gewesen, als sie noch atmete. Dann hätte Jesus die Hand auflegen und sie gesund machen können.


Jesus aber hörte nicht auf das, was da gesagt wurde, und sprach zu dem Vorsteher:
Fürchte dich nicht, glaube nur!


Jetzt, in diesem Moment absoluter Hilflosigkeit und endgültiger Verzweiflung kommt dieses Wort von Jesus. Wie ein Weckruf raus aus der Hoffnungslosigkeit:


"Höre nicht auf die anderen – schaue mich an und höre auf mich! Deine Pläne und Wege sind nicht meine. Deine Vorstellung, was ich wie zu tun habe ist nicht meine. Aber vertraue mir, glaube mir und fürchte dich nicht."


Wie oft stehe ich selbst in dieser Situation. Es ist nicht so geworden, wie ich wollte. Jesus hat nicht das getan, was er sollte. Er war scheinbar nicht schnell genug. Er hat andere mehr im Blick gehabt als mich. Warum hat er mein Gebet nicht beantwortet? Warum musste es nur so weit kommen?
Doch in all dieses Gedankengewirr spricht Jesus sein machtvolles, sein göttliches, sein durch alle Jahrtausenden der Menschheit hindurch klingenden Worte:


Fürchte ich nicht! - Hab keine Angst! - Glaube nur! - Vertraue nur!


Lass los, was andere sagen. Lass los, was du selbst denkst. Lass los, deine kleine und beschränkte Vorstellung von dem, was ich tun kann. Ich kann so viel mehr! Mehr, als du dir jemals vorstellen kannst. Ich bin nicht an deine kleine und beschränkte Vorstellung gebunden. Ich bin nicht gebunden an das, was du denkst, das nötig wäre. Glaube nur und fürchte dich nicht!


Als Jesus dann kommt, legt er dem Mädchen nicht die Hand auf. Sondern …


... ging hinein, wo das Kind lag, und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kum! – das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!


Er nimmt die Tote bei der Hand. Kein sanftes Auflegen der Hände, sondern ein beherztes Festhalten der Hand. Der Ruf des Sohnes Gottes hat die Macht, sofort das Leben in das Mädchen zurückzubringen. Sie richtet sich auf und Jesus gibt sie ihren Eltern zurück.
Jesus sprengt die Vorstellungskraft des Jairus und sicher auch aller um ihn herum!
Sicher gingen diesem die Augen auf und er sah Jesus in noch viel herrlicherem Licht, als er es ich je vorstellen konnte.

Genau das möchte Jesus in deinem und meinem Leben immer wieder tun!
Wenn Dinge anders kommen oder Situationen verfahren sind und gefühlt alles zu spät ist. Wenn wir konfrontiert werden mit großer Not und Auswegslosigkeit (was produziert das mehr als der Tod selbst?) in unserem eigenen Leben oder in dem von lieben Menschen um uns herum … dann erklingt Jesu starkes Wort auch in deine und meine Situation:


Fürchte dich nicht! Glaube nur!


Jesus möchte dich und mich immer weiter führen in unserem Vertrauen und unserem Glauben. Daher führte er Jairus an diesen Punkt. Jesus sprengt immer wieder meine eigene Vorstellung, meine Erwartungen von dem, wie er ist und was er zu tun hat. Und das ist eine zutiefst gute Sache!


Die Geschichte ist mir so bekannt. Und doch sprengte Gott auch hier wieder mein Denken und mein Erkennen. Und ich kann nur Staunen über Gottes wunder-volles Wort und sein wunder-volles Tun hier und in meinem kleinen Leben.


Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus durch alle Geschlechter von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (Epheser 3,20-21)