Ich würde nicht sagen, dass wir wirklich Mangel leiden. In den acht Jahren hier in Krume hatten wir immer alles, was wir brauchten. Und in den letzten Jahren hat auch das Sortiment an Lebensmitteln enorm zugenommen. Jetzt bekomme ich hier sogar Balsamico Essig und (fast deutsche) Butter und noch vieles mehr.
Dennoch, wenn man es mit dem vergleicht, was man in Deutschland an jeder Ecke bekommt, ist es nicht viel. Und klar vermisst man hier und da guten Käse, leckere Wurst usw. Bei dem Gedanken, bald wieder in Deutschland, im Land des Überflusses, zu leben und alle geliebten Produkte zur Verfügung zu haben, wann immer ich will, da ist zum einen natürlich Vorfreude. Aber immer mehr merke ich, dass dieser „Mangel“ an gewissen Dingen auch dazu geführt hat, dass ich vieles viel mehr schätze und intensiver genieße. Und das hat mein Leben sehr reich gemacht. Und mit Freude erfüllt. Und besonders gemacht.
Zum Beispiel haben wir in Tirana den Rossmann. Dorthin kommen wir sehr selten. Daher ist jeder Besuch bei Rossmann eine kleine Attraktion, eine große Freude, ein Event. Bald werde ich diesen Laden 5 Minuten entfernt von meinem Haus haben. Ich werde mehrmals im Monat dort hingehen. Das besondere wird er schnell verloren haben. Ein Event wird es sicher bald nicht mehr sein und mein Herz wird sich nicht mit kindlicher Vorfreude füllen, bei dem Gedanken, dort einzukaufen, oder einfach auch nur durchzuschlendern.
Manchmal bekamen wir Pakete mit besonderen Sachen, zum Beispiel einem guten Käse. Wie habe ich diesen dann gehegt und gepflegt, langsam geöffnet und in kleinen Happen genossen. So was besonderes. Und wenn er weg war, war er weg und ich wusste, dass ich nicht zum Rewe gehen und einen neuen kaufen kann. Der Rewe wird bald ebenfalls 5 Minuten entfernt sein von meinem neuen Zuhause.
Die Schönheit des Mangels wird so schnell nicht mehr da sein. Natürlich werden wir sicher den Luxus immer anders schätzen als andere, die nie in einem ärmeren Land gelebt haben. Dennoch wird diese Art des Lebens, wie wir es hier hatten, in Deutschland nicht mehr möglich sein, schlicht und einfach, weil ja alles da ist.
Wenn ich über unser Leben und so manche Einschränkungen, die damit verbunden sind und waren nachdenke, dann erfüllt mich eine Dankbarkeit. Ich sehe die Schönheit, die mit Mangel einhergeht, die Vorfreude und Freude über einfaches, in Deutschland völlig normales. Das hat mein Leben so reich gemacht und meine Seele gesättigt, anstatt meinen Körper.
Ich möchte auch in Deutschland nie vergessen, das alles nicht selbstverständlich ist. Will mich erinnern, welchen Zauber der Rossmann ausgeübt hat in einem fremden Land. Welche Freude ein einfaches Stück Gouda und eine Leberwurst bedeudeten. Die unbändige Begeisterung, als hier eine kurze Zeit Tiefkühl Apfelstrudel zu finden war oder Magnum Eis in der Truhe lag. Uns geht und ging es so gut hier! Und nicht alles zu haben, was wir gewöhnt waren, hat dazu beigetragen, dass unsere Herzen noch froher und dankbarer wurden. Und darin liegt die Schönheit im Mangel.