Vor kurzem saß ich im Wartezimmer meines Hausarztes. Es war früh morgens und ich sollte Blut abgenommen, ein Langzeit EKG und Langzeit Blutdruck angelegt bekommen. So langsam möchte ich mich auf die Suche der Gründe meiner plötzlichen Bewusstlosigkeit vor ca. 6 Wochen machen.

Ich war erst vor einigen Tagen aus dem Urlaub zurück und als ich so auf der unbequemen Wartebank saß, da sah ich den Stuhl, der mir gegenüber stand. Er war ganz in ein wunderschönes morgendliches Licht eingehüllt.

Und plötzlich dachte ich an einen anderen Stuhl. Ich dachte an meine Zeit am Meer zurück, früh morgens war ich immer dort, manchmal habe ich sogar das Morgenrot geweckt. :) Auch dort hatte ich manchmal einen Stuhl, auf dem ich saß. Auch dieser war in wunderschönes Licht gehüllt.

Innerlich sehnte ich mich natürlich zurück an diesen wunderschönen Ort. Ich hörte die sanften Wellen im Ohr, spürte den warmen Sand unter den Füßen und die Vögel, die, wie ich, schon früh unterwegs waren, um mir Gesellschaft zu leisten. Ich sehnte mich innerlich zurück an diesen Ort, an dem ich Gott auf so besondere Weise begegnet bin. Wo ich Ruhe hatte zum beten und lesen. Wo ich meinen Blick in die Weite streifen lassen konnte. Ja, ich sehnte mich zurück.

Doch jetzt saß ich hier. In Deutschland, in einem Wartezimmer, bei einem Arzt.

Und als ich so saß und nachdachte (ich hatte einiges an Zeit, ihr wisst ja, wie das so in Wartezimmern ist...) da veränderte sich plötzlich der Stuhl mir gegenüber. Ich sah ihn nicht als einen Stuhl in einem nervigen, unerwünschten Ort, an dem ich gar nicht sein möchte. Als ich ihn so sah in dem Sonnenlicht, da wurde mir bewusst: Hier ist Gott. Genau hier! Hier mit mir! Und die größere Schönheit liegt darin, mit Ihm Gemeinschaft zu haben an Orten, die äußerlich nicht unbedingt schön sind und die vielleicht auch mit gewissen Befürchtungen und Ängsten verbunden sind.

Ich saß nur wegen einer Kleinigkeit in diesem Wartezimmer. Aber ich dachte an all die lieben Menschen, die ich kenne und die mit ganz anderen Aussichten in diesen Wartezimmern sitzen. Die auf die Ergebnisse eines CTs warten, um zu hören, wie die Chemotherapie angeschlagen hat. Ob die Metastasen erfolgreich bekämpft wurden. Ich dachte an all die vielen Menschen, die durch tiefe Täler gehen und an Orten sitzen, an denen sie nicht sein wollen. Die dunkel sind und die sie sich nicht im entferntesten ausgesucht hätten. Ich dachte daran, dass mein Leben und das der allermeisten Menschen davon geprägt ist, auf Stühlen zu sitzen, an Orten zu sein, durch Situationen zu gehen, die nichts, rein gar nichts mit Sonne und Meer und Ruhe und Harmonie zu tun haben. Äußerlich.

Doch, und das ist wohl das Geheimnis und die Schönheit unseres Glaubens, gerade an diesen Orten - gerade da, wo Sorge sich breiten machen will, wo Ängste Überhand nehmen wollen, wo Ungewissheit nagt und der Friede zu weichen droht, gerade da ist Gott uns so unglaublich nah. Und gerade da, in diesen unbequemen Realitäten des Lebens, gerade da dürfen wir unseren Freund und Heiland, Jesus Christus besonders sehen und erleben. Er ist da. Er trägt durch. Er sitzt neben mir, ja mehr noch: Er lebt in mir. Ich darf still sein und vertrauen. Ihm vertrauen. Egal, wo ich gerade sitze.

Ich habe mich in der Zeit in Albanien viel mit dem Leben von David beschäftigt. Wo der nicht überall saß, wo er nicht sein wollte! In der Höhle auf der Flucht vor seinem Schwiegervater Saul, am Totenbett seines neugeborenen Sohnes, auf dem Feld auf der Flucht vor seinem eigenen Sohn... und doch ist es so wunderbar zu sehen, wie er in all dem immer wieder zu Gott schaut und Hilfe von ihm erhofft! Als er in seinem eigenen Haus sitzt und um sein Leben fürchten muss, betet er das:

"Ich aber singe von deiner Macht. Früh am Morgen juble ich dir zu, weil du so gnädig bist. Du bietest mir Schutz wie eine sichere Burg; zu dir kann ich in der Not fliehen." (Psalm 59,17)

Genau das ist Gott für uns, wo auch immer wir sitzen. In welcher Situation auch immer.

Ich will dir Mut machen, in deiner Situation Ausschau zu halten nach Jesus Christus! Vielleicht sitzt du gerade an einem Ort, der dir gar nicht gefällt, der dir über die Maßen Angst macht, der dein Herz mit Sorgen füllt bis an den Rand. Du vermisst die unbeschwerten Urlaubstage, die viel zu kurz waren und jetzt wirst du wieder erdrückt von dem ganzen Alltagschaos und Stress. Hebe deinen Blick! Gerade da ist Jesus! Gerade da beginnt die Schönheit unseres Glaubens an einen Gott, dem nichts unmöglich ist und der uns in allem begegnet! Der aus unerwünschten Orten heilige Orte macht, weil er dort ist!

Vor einigen Tagen saß ich mit Henry in der Kirche zum Einschulungsgottesdienst. Es waren schon viele Menschen da und Henry begann plötzlich zu strahlen. Ich fragte ihn: "Hast du denn schon einen Freund entdeckt?" Und er sagte mit einem breiten Lächeln: "Ja, Jesus." (Der war vorne an meinem Kreuz.)